Zeitung Glarnerwoche, Nov. 2015

Melchior Kubli, Vorkämpfer für einen humanen Strafprozess

Von Walter Hauser

Das Lebenswerk von Johann Melchior Kubli (1750 - 1835) hat unendlich viele Facetten. Eine ist in der breiten Öffentlichkeit noch wenig bekannt: Kubli, der Justizreformer und Wegbereiter des modernen schweizerischen Verfassungsstaates. Mit ein Grund, weshalb das Kulturforum Brandluft und die Gemeinde Glarus Nord kürzlich des Mannes gedachten, der vor 180 Jahren in Mühlehorn beigesetzt wurde.

Der aus gutem Haus stammende Netstaler und spätere Ehrenbürger von Quinten war ein Oppositioneller, ein Demokrat, der die oligarchischen Machtverhältnisse der alten Eidgenossenschaft anprangerte. Und der sich 1782 als Gerichtsschreiber im Anna Göldi-Prozess und als Enthüller amtlicher Dokumente einen Namen machte. Heimlich hatte er deutschen Journalisten vertrauliche Akten zugespielt und die Justizaffäre ins Rollen gebracht. Ein Akt der Zivilcourage, der vielleicht noch mehr Mut erforderte als heute, wo Edward Snowden und Wikileaks für Schlagzeilen sorgen.

Das quälende Miterleben des Folterprozesses gegen Anna Goldi hat den jungen Landschreiber Kubli geprägt und seinen Sinn für längst fällige Justizreformen geschärft. Während der Übergangszeit der helvetischen Republik legte er als Senator im Jahr 1800 einen Verfassungsentwurf vor, der als Meilenstein der schweizerischen Verfassungsgeschichte gilt. Kublis Entwurf war ebenso revolutionär wie weitsichtig und wegleitend für die erste Bundesverfassung von 1848.

Der im Glarnerland in Ungnade Gefallene übersiedelte 1808 nach Quinten in den neugegründeten Kanton St. Gallen, allerdings nicht um sich aufs Altenteil zurückzuziehen. In seiner zweiten Heimat setzte der wohlhabende Hobby-Weinbauer seine Ämterlaufbahn fort und wurde im reifen Alter Regierungsrat. Doch auch als politischer Kopf blieb er im Herzen Jurist, obwohl er kein Gebildeter war und sogar mit dem Status des Nichtakademikers kokettierte. Er selbst sah sich als Praktiker, als juristischen Handwerker. Um so bemerkenswerter: Wie ein roter Faden zog sich durch Kublis öffentliches Wirken sein ausgeprägter Sinn für Rechtsstaatlichkeit. Wohlgemerkt zu einer Zeit, als dieser Begriff für die allermeisten hierzulande ein Fremdwort war. Konsequent lehnte er Folter und Zwangsgeständnisse ab und setzte sich für einen humanen und rechtsstaatlichen Strafprozess ein, dessen Kernpunkte waren: Unabhängigkeit der Gerichte, Recht auf Verteidigung, klare gesetzliche Regeln für Verhaftung und Bestrafung, Unschuldsvermutung.

Errungenschaften der demokratischen und freiheitlichen Rechtsordnung, die in der heutigen Zeit des Terrors und der Gewalt bedroht sind. Und die es entschlossen zu verteidigen gilt. Damit geht es ein Stück weit auch um Melchior Kublis Vermächtnis, um dessen historische Aufarbeitung sich die Familie Lieberherr im Kublihaus in Quinten seit vielen Jahren mit grosser Hingabe kümmert. Nicole Lieberherr hat eine interessante Biografie über ihn veröffentlicht. In Mühlehorn, genau auf der gegenüberliegenden Seite des Walensees, erinnert nun eine schlichte Gedenktafel an Kubli, den juristischen Pionier und Wegbereiter eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. 

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